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Februar 2016 - Besuch Vesperkirche Stuttgart mit Führung Herrn Diakon Klöpfer

nachdenklich, interessant.......

Nachlese: "Es ist genug für alle da"! Die Althütter LandFrauen zu Besuch in der Vesperkirche Stuttgart

 

22 LandFrauen und -Männer besuchten letzten Samstag die Leonhardskirche in Stuttgart, die erste Vesperkirche Deutschlands überhaupt, um dort an einer Führung teilzunehmen. Im Gepäck hatten sie einen Scheck über 500 €. Diese Summe wurde bei der letzten Adventsfeier des LandFrauenvereins von den Mitgliedern gespendet.

 

Schon als die LandFrauengruppe sich dem Haupteingang der Leonhardskirche näherten, fielen ihnen die in Grüppchen stehenden Personen auf, die mehrere volle Tüten bei sich hatten, und - Hunde. In der Kirche selbst saßen an den meisten aufgestellten Tischen schon Gäste, schließlich sollte es um 11.30 Uhr Mittagessen geben. Auch die LandFrauen hatten die Absicht, in der Vesperkirche zu Mittag zu essen. Zuvor wurden sie aber von Herrn Klöpfer empfangen, einem der Diakone, die in der Vesperkirchenzeit unter der Leitung von Pfarrerin Karin Ott Dienst tun. Herr Klöpfer nahm sich eine Stunde lang Zeit, um Informationen über die Vesperkirche zu liefern.

 

Die Vesperkirchenzeit dauert 7 Wochen lang bzw. 49 Tage und zwar vom 17. Januar bis zum 5. März 2016. Für wen wird die Vesperkirche organisiert und warum? Was sind das für Menschen, die es nötig haben, sich ab 9 Uhr Kaffee oder Tee, ein warmes Mittagessen für 1,20 € und ab 15 Uhr ein Vesper zu genehmigen? Was sind das für Männer und Frauen, die kommen, um sich auf die Kirchenbänke oder zwischen Kirchenbänken auf den fußbodenbeheizten Boden zu legen um zu schlafen? Die Antwort lautet: in erster Linie einsame, ausgegrenzte, süchtige und bedürftige Menschen. Rentner sind ebenso anwesend wie Obdachlose jeden Alters. In der Leonhardskirche finden sie zur Vesperkirchenzeit Gelegenheit, in einem warmen Raum Kontakt zu anderen zu knüpfen und ein wenig "Wohlstand" zu genießen. Sie finden in der Kirche Ansprache und bei Problemen helfen und vermitteln die Diakone. Sonntags findet ein normaler Gottesdienst für jedermann statt und täglich um 16 Uhr wird als Abschluss eine Andacht gehalten.

 

Die erste Vesperkirche geht auf das Jahr 1995 zurück. Von Jahr zu Jahr werden in der Leonhardskirche immer mehr Essen ausgegeben. Dieses Jahr sind es täglich im Schnitt 500 warme Mittagessen im Wert von 5 €. 800 Ehrenamtliche engagieren sich zeitlich so viel, wie sie im Voraus beantragen. Sie schmieren Brote, geben Essen aus, putzen, kommen ins Gespräch. Hundefutter wird zweimal in der Woche ausgegeben, damit die Hundehalter ihre Lieblinge füttern können, die sie oft als ihre einzigen Freunde betrachten. Ärzte behandeln hier ohne Bezahlung Kranke, Friseure schneiden kostenlos Haare, Künstler, Musiker und Schauspieler treten am Sonntag ohne Honorar auf. Während der Vesperkirchenzeit finden Menschen ihre Würde zurück.

 

Sicherlich treten auch wiederholt Probleme auf. In der Leonhardskirche herrscht zwar Alkoholverbot, aber dennoch gibt es manchmal Randale, vor allem verursacht durch osteuropäische, organisierte Bettelgruppen. Die Polizei vom Revier gleich gegenüber zeigt sich regelmäßig und muss auch gelegentlich ein Hausverbot durchsetzen. Weiterhin ist die Organisation der Vesperkirche mit hohen Kosten verbunden, nämlich mit ca. 260 000 € jährlich. Die Kosten und die Arbeit werden in großer Solidarität von Spendern und Ehrenamtlichen geteilt, ohne die die Vesperkirche nicht möglich wäre. Es ist genug für alle da, sofern man bereit ist, zu teilen. Die Ortsvorsitzende der LandFrauen Althütte, Ilona Belz überreichte Diakon Klöpfer den Scheck der LandFrauen als Spende für die Vesperkirche. Nun war es Zeit fürs Anstehen bei der Mittagessenausgabe. Mit dem Teller "Kartoffelsalat mit Gemüseklößchen und Soße" in der Hand keimte die Idee: Könnten sich nicht auch die LandFrauen einmal tatkräftig als Ehrenamtliche bei der Vesperkirche engagieren?

Bericht: Ingeborg Wittenberg